1915in Basel geboren, in Allschwil mit drei Geschwistern aufgewachsen
1934beginnt Radakrobatik, mit regelmässigen Auftritten in Basel und in der Region
1939heiratet Meta Gäbel; es wurden vier Kinder geboren
1935 - 1960Autodidakt als Kunstmaler
1948 - 1956Automobilbau in eigener Werkstatt. Es entstehen drei dreirädrige Autos.
Chassis und Karosserie sind Eigenkonstruktionen
1953Einzug ins selbstgebaute Haus in Neuallschwil
1960wendet sich ganz der Eisenplastik zu
1970arbeitet ausschliesslich mit rostfreien und Buntmetallen
1995erhält den Allschwiler Kulturpreis
1995erscheint sein Buch "Metallplastiken" Francis Béboux
1997schenkt der Gemeinde Allschwil das Werk "Siriusstern" für die Abdankungshalle
1997erhält den Basellandschaftlichen Kantonalbank-Preis
2001schenkt der Gemeinde Allschwil das Werk "Mandala I" für den Friedhof

Erste Jahre, frühe Prägung (france)

1915 nahm das Ehepaar Rosa und Francis Béboux in Neuallschwil Wohnsitz; im selben Jahr, am 10. Dezember, wurde ihm der Sohn Francis geboren. Die Jahre der Kindheit und Jugend, die Francis Béboux mit dem älteren Bruder Ernst und mit den nach ihm geborenen Geschwistern René und Ruth durchlebte, sollten in besonderer Weise prägend für ihn werden.

Béboux erzählt gerne und anschaulich, wie er als Kind etwa dem alten Schreinermeister Jehle bei der Arbeit zuschaute; hier lernte er, wie man einen Stechbeitel in die Hand nimmt, wie man mit Holz umgeht, wie aus Ausschussholz ein Flugzeug zum Spielen entsteht. Der kleine Francis schaute sich auch in der Dorfschlosserei um, er sammelte in der Spenglerei Eindrücke und war stolz, als er in der Autoreparaturwerkstatt Erhard und Dalward kleine Handreichungen übernehmen durfte. Diese Kindheit, in der es keinerlei Verwöhnung oder Verzärtelungen, dafür aber eine reiche Fülle von praktischer Anschauung und das Gefühl von Wertschätzung gab, legte Spuren, die im späteren Leben von Francis Béboux immer wieder deutlich sichtbar werden.
Die Geschichte etwa, wie der Knabe Francis zu seinem ersten Velo kam, ist zwar auch ein Zeitcharakteristikum und zugleich ein Stück Allschwiler Dorfgeschichte; sie gibt aber ebenso etwas wieder von der hartnäckigen Durchsetzungskraft dieses Kindes, das als Erwachsener diese Kraft in die künstlerische Auseinandersetzung mit schwer zu bearbeitenden Materialien einbringen sollte. Ein Velo, das muss man wissen, war in den zwanziger Jahren vor allem bei Kindern aus nicht begüterten Familien nicht der selbstverständliche Gebrauchsartikel, der es heute meist zu sein pflegt. Für die Béboux-Posthalterkinder jedenfalls gehörte der Besitz eines solchen Rades insReich der Träume, ihre Botengänge im Dienste der Post erfolgten immer zu Fuss.

Francis dagegen fügte sich nicht einfach in die Gegebenheiten, sondern er versuchte die Faszination Rad in die Realität umzusetzen. Eisern sparte er seine Boten- Trinkgelder zusammen; und Stück für Stück beschaffte er sich jenseits der Grenze im nahen Elsass Bestandteile für sein Traumrad. Lächelnd erzählt Béboux von seinen unbeholfenen Versuchen, diese Bestandteile über die Grenze zu bringen. «Hast Du etwas zu verzollen?» fragte einmal mehr der Zöllner am Grenzübergang. Heftiges, verneinendes Kopfschütteln. «Also, dann zieh mal die Velokette etwas höher, sie schaut Dir unter Deinen kurzen Hosen hervor», brummte gutmütig der Zöllner. Als sich Francis schliesslich mit dem etwas eigenartig konstruierten Velo auf die Strasse wagte, verlachte man den«Spinner».
Niemand konnte ahnen, dass dieser Spinner später ein gewöhnliches Velo in ein Kunstrad umbauen und darauf akrobatische Kunststücke vollführen würde, die bei Vereinsanlässeneine gerngesehene Nummer waren. Das jahrelange artistische Training verhalf Béboux übrigens zu einer aussergewöhnlichen körperlichen Mobilität und zu grosser Muskelbeherrschung. Zu seinem Erinnerungsschatz gehört denn auch die Geschichte eines schweren Unfalls, von dem er sich zum kopfschüttelnden Erstaunen von Fachärzten mit eisernem Willen und stupendem Körpereinsatz gut erholte.

Wenn der Metallplastiker heute bei seiner Arbeit im Atelier ermüdet, legt er das Werkstück ab - und entspannt sich bei einem veritablen Bauchtanz, der die Muskulatur erwärmt und anregt. «So kommt es, dass ich heute noch hundert Kilogramm ohne weiteres vom Boden hochheben kann», sagt Béboux ganz beiläufig. Seine immer noch beinahe artistische Körperbeherrschung hat aber auch im künstlerischen Bereich Auswirkungen. Francis Béboux wohnt ein ganz ausgeprägter Sinn für harmonisches Gleichgewicht inne.
L’équilibre, die Empfindung für das jeweils richtige Mass, für die Verteilung der Kräfte und den harmonischen Ausgleich der Formen, ist auf dem Weg über die Körperübungen zum geistigen und künstlerischen Prinzip geworden.

Erste Jahre, frühe Prägung... Es ist selten, dass die in den Jahren der Kindheit und Jugend gelegten Spuren sich im positiven Sinn derart deutlich durchs Erwachsenenleben ziehen, wie dies bei Francis Béboux der Fall ist. Wenn der Künstler mit spürbarer Ergriffenheit vom Vater erzählt, der am Sonntagmorgen die Seinen um den Tisch zu versammeln pflegte, die Bibel aufschlug und wie ein Patriarch Verse aus der Schrift vorlas, dann wird auch hier eine klare Spur sichtbar. Oft wird nämlich der Künstler gefragt, ob er aus einer religiösen Grundhaltung heraus gestalte und arbeite, da doch viele seiner Plastiken eine sakrale Würde ausstrahlten. Béboux ist ganz gewiss nicht religiös im konfessionellen Sinn; er lässt sich eher durch Erlebnisse, Begegnungen oder Beobachtungen in der Natur zu einem Werk inspirieren als durch direkte religiöse Bezüge. In einem weitgefassten Sinn ist er aber wohl doch ein religiöser Mensch mit einer ganz eigenen Spiritualität, die sich natürlich und offen in seinem Werk zur Darstellung bringt. Der Knabe Francis suchte gern und oft einen protestantischen Pfarrer jüdischer Abstammung auf, der auf der Flucht aus Nazideutschland nach Allschwil gekommen war und bei einer Freundin von Francis’ Mutter Unterkunft und Aufnahme gefunden hatte. Bei diesem Pfarrer Bochard empfing Francis Béboux das, was er seine «ersten Philosophiestunden» nennt. 

Woher kommt der Mensch, welchen Platz hat er in der Schöpfung, wohin geht er, und was ist Lebenssinn? Solche Fragen beschäftigten den jungen Menschen und liessen ihn auch in späteren Lebensjahren nie mehr los. Wenn sich heute jemand an Francis Béboux wendet, weil für einen Verstorbenen eine Grabplastik gestaltet werden soll, wird der Betreffende in der Regel zu einem Rundgang durchsnAtelier und den Béboux-Garten gebeten, in dem viele Plastiken ihren Platz haben. Meist wartet da schon die genau richtige Plastik; ein Werk, das treffend zum Ausdruck bringt, was an Aussage erwünscht ist. Vielleicht sind es metallene Strahlenbündel, die auf einen Mittelpunkt zustreben und von dort aus gleichzeitig auch wieder in die Weite hinauswachsen - als ein Zeichen der Gesetzmässigkeit von Kommen und Gehen, Geburt und Tod und der Hoffnung auf eine innerste Verbindung und Vervollkommnung dieser scheinbaren Gegensätzlichkeiten.

Wege zur Kunst

Francis Béboux, der so viel Kraft aus dem Fluss der Erinnerung schöpft, weist gerne darauf hin, dass er während seiner Schuljahre als begabter Zeichner gegolten hatte. Als Lehrer Stöckli wohlwollend von einem allfälligen Berufsweg als Künstler sprach, hatte Francis allerdings noch keine klaren Vorstellungen von solch einer Möglichkeit er war vielmehr in seinen Berufswünschen recht unsicher, weil er ja die verschiedensten handwerklichen Tätigkeiten beobachtend und selbst gestaltend kennengelernt hatte und sich zu ihnen allen hingezogen fühlte.
Eine Anstellung bei der Post bot Existenzsicherung; und auf diese war der 24jährige Francis Béboux angewiesen, als er sich 1939 mit Meta Gäbel verheiratete, die ebenfalls in Allschwil aufgewachsen war. Nie verliess ihn jedoch das Streben nach einer künstlerischen Umsetzung von Eindrücken und Stimmungen. Selbst der Aktivdienst konnte diesen Gestaltungswillen nicht zurückbinden: Ein Malkasten und eine zusammenklappbare Staffelei gehörten als unentbehrliche Begleiter zum Ordonnanzgepäck des SoldatenBéboux!
Dem Ehepaar Béboux-Gäbel wurden drei Söhne und eine Tochter geboren: Marcel (1940), Claude (1947), Yvonne (1948) und Roger (1957). Auch die Anforderungen des Familien- und Berufsalltags liessen den Wunsch nach künstlerischen Ausdrucksformen keinesfalls versanden - des Schullehrers Prognose war also eingetroffen! Béboux begann sich umzusehen, er suchte den Kontakt zu Malern wie Oscar Barblan, Gian Casty, Arturo Ermini, Karl Glatt, Rudolf Maeglin, Werner Nänny, Gen Niederer, Hamid Zackj oder zum Maler-Bildhauer Alfred Anklin. Schon 1934 hatte er im Hinterhaus an der Lindenstrasse 26 in Allschwil ein Atelier gemietet, in das er sich zum Malen zurückzog. Die fünf Franken, die der Raum im Monat an Miete kostete, waren damals wohl nicht ganz unerheblich; und es wird nicht an Leuten gefehlt haben, die diese Eigenständigkeit des jungenBéboux verurteilten und seiner Entwicklung nichts Gutes voraussagten.

Bis zum Jahr 1960 arbeitete sich Béboux als Autodidakt ständig weiter. Nur ein verhältnismässig kleiner Kreis wusste um das Schaffen des Postangestellten, der seine Arbeit so einteilen konnte, dass ihm jeden Tag ein paar Stunden zur freien Begegnung mit der Kunst blieben. Es wäre damals und wohl auch noch später ein leichtes gewesen, Béboux zum «malenden Pöstler» oder zum «Pöstler-Plastiker» hochzustilisieren und im Kunstbetrieb als zwar etwas randständiges, aber durchaus bemerkenswertes künstlerisches Unikum zu vermarkten; aber so etwas liess die Persönlichkeit Béboux’ nicht zu. Künstlervereinigungen erschienen ihm zu viel von jenem zeitraubenden gesellschaftlichen Leerlauf zu produzieren, der ihm nicht zusagte. Ihm fehlte es auch grundsätzlich an jener Geschmeidigkeit, die Bekanntschaften ermöglicht und weiterführende Kontakte, Verbindungen und damit Vorteile schafft.

Béboux hat immer auf die eigenen Kräfte und auf die Qualität seiner Werke vertraut, publikumswirksame Anbiederungen widerstrebten ihm gründlich - dies heisst allerdings nicht, dass er sich nicht auch nach Beachtung und Anerkennung gesehnt hätte. Im Freundeskreis wusste man, dass Béboux es nicht verstehen konnte, dass man sein künstlerisches Schaffen ausgerechnet in Allschwil, seinem engsten und vertrautesten Lebenskreis, so wenig zur Kenntnis nahm.

 War Béboux’ publicityscheue Art mitverantwortlich, oder spielte die alte Theorie mit, dass der Prophet im eigenen Land am wenigsten gilt? Für Francis Béboux war es eine Genugtuung, als schliesslich Plastiken aus seiner Hand in der Gemeindeverwaltung Einzug hielten und als 1988 die Allschwiler Öffentlichkeit sich erfreut und lobend über eine seiner Kugelplastiken äusserte. Die Auszeichnung mit dem Allschwiler Kulturpreis 1995 hat er nicht allein als Ehrung für sein Schaffen, sondern in besonderer Weise als eine versöhnliche Geste und späte Anerkennung empfunden.

Wege zur Kunst.. . manchmal sind Umwege die direktesten Wege: Francis Béboux fand den Weg zur Plastik über die Konstruktion von Dreiradautos, bei welcher er von Walter Heckendorn assistiert wurde; Heckendorn stand damals vor dem Abschluss seiner Ausbildung bei Karosseriebau Köng in Basel; der Firmeninhaber war auf die seltsamen Béboux-Arbeiten aufmerksam geworden. Eine Passage im Gratulationsbrief, den Walter Heckendorn seinem Freund Béboux zum 65. Geburtstag schrieb, charakterisiert dessen Persönlichkeit sehr treffend: «Ohne grosse Reden, nur durch Deine Art, hast Du mich gelehrt, eine selbstgestellte Aufgabe durchzuführen, auch Rückschläge zu verkraften, ohne den Mut zu verlieren, immer wieder neu zu beginnen, die Augen offenzuhalten und ein Mensch zu bleiben. Nach diesen Deinen Grundsätzen handle und lebe ich.»
Karosserie-Inhaber Köng gehörte zu den ersten, die Béboux mit einer Arbeitsweise frappierte, welche vollkommen von üblichen Arbeitsabläufen abwich.

Köng fragte nach den Plänen zum eigenartigen Dreiradauto, das nach Béboux konstruktionsmässig eine Verwandtschaft hatte mit dem Flugzeug eines seiner Freunde. Pläne? Béboux hatte weder Skizzen noch Pläne vorzuweisen; sämtliche Baupläne waren in seinen Gedanken und in seiner inneren Vorstellungswelt verankert. Köng stellte sinnend fest, dass da zwar ein begabter Konstrukteur, aber ein noch weit begabterer Künstler und Plastiker am Werk war.

1955 setzte Béboux konstruktive Elemente in Wandreliefs um, allmählich entwickelte sich der Sinn für dreidimensionale Arbeiten. Von Anbeginn blieb er dem einmal gewählten und erprobten Arbeitsstil treu: Es gibt keine Béboux-Entwürfe, auch nicht die flüchtigste Skizze! 

Wenn Francis Beboux einen Gedanken umsetzen mächte, hat er in seiner inneren Vorstellung das Grundprinzip bereits entwickelt. Während des Arbeitsablaufs lässt er sich vom Material gleichsam leiten; aus dem inneren Grundprinzip entwickeln sich eigendynamische Prozesse. Béboux arbeitet in einer Art abwesender Besessenheit.
1964 zeigte Francis Béboux seine Eisenreliefs erstmals einer grösseren Öffentlichkeit. Ausstellungsort war die Halle, die er mit eigener Hand neben seinem Atelierhaus am Narzissenweg erbaut hatte - auch dieses Haus mit der Werkstatt im Erdgeschoss und dem Maleratelier im oberen Stockwerk hat Béboux selbst errichtet, seine Freunde Ernst Anderegg und Hans Kungler waren ihm 1953 beim Bau beigestanden. Dieses Haus am Narzissenweg: Im Verlaufe der Jahre wurde es immer mehr zur einmaligen Werkstatt- und auch zur Freiluftgalerie. Seine vergleichsweise bescheidenen Dimensionen sind umgeben von kühnen Konstruktionen, von stelenartigen oder monstranzähnlichen Werken, von Kugeln, in denen sich das Licht spiegelt. Dass dieses einfache Haus mit all seinen künstlerischen Begleitern in Halle und Garten nicht bald schon ein Pilgerort für Kunstliebhaber und Kunstkenner geworden ist, hat wiederum mit dem stillen Selbstbewusstsein seines Gestalters zu tun: Francis Béboux hat Anerkennung gefunden, ohne sich einem publikumswirksamen Kunstrummel aussetzen zu müssen. 

Er freute sich jeweils, wenn seine Werke in Kunstausstellungen gezeigt wurden; aber er konnte es auch verschmerzen, wenn man den Autodidakten in den Reihen der Renommierten und Arrivierten nicht dulden wollte.

Beseeltes Material

Ingenieure und andere fachkundige Leute staunen immer wieder, wie souverän Béboux mit den Materialien Chromstahl, Bronze und Kupfer umgeht. Viele Béboux-Verehrer wünschen sich - allerdings vergeblich - einen Tag des stillen Beobachtens im Atelier von Francis Béboux. Staunenswert ist zunächst einmal das Béboux- Prinzip, das dahin geht, dass keine fremde Hand am einzelnen Werk beteiligt sein darf. In durchwegs eigenständigen

Arbeitsgängen wird das Material vorbereitet, geschmiedet und geschweisst; selbst der Steinsockel, auf welchem die Plastik verankert ist, wird jeweils von Béboux eigenhändig bearbeitet. Künstlerische Gestaltungskraft verbindet sich mit Handfertigkeit, Kunstfertigkeit und mit jenem Handwerkerstolz, der die Meister beseelt haben mag, die an der künstlerischen Ausgestaltung von mittelalterlichen Kathedralen beteiligt waren.

Staunen erregt auch immer wieder die Béboux-Technik, mit der es gelingt, Metalle von unterschiedlicher Eigenart in einem speziellen Verfahren zu verschweissen und so zu vereinigen. Die Schmelzpunkte dieser Materialien weichen stark voneinander ab - wie geht Béboux vor, dass sie sich dennoch miteinander befreunden? Der Künstler, der mit einem verhältnismässig kleinen Repertoire an Werkzeug auskommt und hauptsächlich mit einer elektrischen Schweissanlage, mit Hammer, Amboss und Schneidemaschine arbeitet, schweigt sich aus. Er zeigt auch kaum Interesse, irgendwelche Werkanleitungen weiterzugeben, die wohl auch nicht so einfach übertragbar wären. 

Die Einmaligkeit des Béboux-Stils eignet sich nicht als Akademiethema, sie lebt für sich. Wenn Francis Béboux sagt: « Der grösste Bewunderer meiner Kreaturen bin ich selbst», dann hat das weder mit Selbstüberschätzung noch mit Grössenwahn zu tun. Bezeichnenderweise spricht er nicht von Werken oder von Arbeiten, sondern ausdrücklich von «Kreaturen». Nach einer gestaltenden Anfangsphase pflegen Kreaturen meist ein Eigenleben zu entwickeln; ihr Schöpfer wird zum Betrachter, unter Umständen sogar zum Bewunderer, manchmal auch zum Gegenpart. Es ist auch der Respekt vor dem Material, das den Künstler Béboux zum Bewunderer werden lässt - oft handelt es sich übrigens um Metallabschnitte und Abfallstücke. 

Béboux könnte in einer Werkanleitung sicher erklären, wie er Werkstücken Rundung gibt, indem er diese in den Schraubstock einspannt und über ein vorbereitetes Rohrmodell in passender Grösse in die gewünschte Form oder Biegung zieht. Aber wer wollte erklären, wie und in welchem Masse der Körpereinsatz mitspielt, mit dem Béboux bis zur Erschöpfung arbeitet? Erläutern liessen sich vielleicht die Arbeitsgänge, mit denen der Künstler die Patinierung einer Plastik in Gang setzt und wie er eine gemischte Lösung beim Schweissvorgang so zur Anwendung bringt, dass sich eine grünliche Patina bildet. Aber wer wollte erklären, auf welche Weise das Material einem Entstehungsprozess gehorcht, einem verbindlichen inneren Entwurf folgend, der sich bestimmten Abläufen unterordnet und der in seinem Ergebnis endgültig und nicht mehr veränderbar ist? Unerklärlich, wie etwa die Anordnung von Steinen im Bach, wie eine Wegkrümmung, die Struktur eines Baumstammes, das himmlische Spiel der Wolken oder das Licht im Wechsel der Tageszeit in Francis Béboux jene Inspiration hervorrufen, die zur künstlerischen Umsetzung drängt.
Mit dem leidvollen Tod seiner schwer erkrankten Frau Meta im Jahre 1986 verlor er ebenfalls die Ihm am nächsten stehende Kritikerin seiner Werke. Francis Béboux hielt viel vom Urteil seiner Frau. Dieser Verlust kostete Ihm viel Kraft die er wiederum in seinem Schaffen fand.
Aufrichtige Anerkennung seines Schaffens beglückt Francis Béboux; er sucht aber nicht das lärmende Lob der Masse. Diese faszinierende und unerklärbare Auseinandersetzung mit dem Material, mit dem inneren Bild imVerlauf seiner Umsetzung in der eigenen Persönlichkeit und jene geheimnisvolle Balance von Gestaltungswille und Geschehenlassen - all dies folgt seelischen Gesetzmässigkeiten, die sich zu keiner Zeit alsKritikerfutter geeignet hätten.
Diese Eigenständigkeit im Denken und Tun hat Béboux ab und zu in Misskredit gebracht. Wenn es etwa um die künstlerische Gestaltung eines Friedhofs ging, bestand die zuständige Kommission statutengemäss auf der Ablieferung eines Modells. Es ist Francis Béboux nie gelungen, Aussenstehenden überzeugend zu erklären, weshalb das seinem Material innewohnende Eigenleben und seine innerdynamischen Entwicklungsmöglichkeiten sich nicht in ein verbindliches Modell einfangen lassen. Man verstand wohl auch nicht, dass Béboux grundsätzlich nie in erster Linie an den Verkauf seiner Werke und an Gelderwerb dachte. «Kunst ist für mich ein Lebensprinzip, Kunst war immer mein eigentlicher Lebensinhalt», sagt der Künstler, der jahrzehntelang fern von Kunstbetrieb und Kommerz sein Werk entwickelte.

Durchbruch in späten Jahren

Francis Béboux nimmt die Kraft der Erinnerung in sein gegenwärtiges Leben hinein; es ist ihm aber auch die anspornende Kraft der Dankbarkeit eigen. Seine freundschaftliche Dankbarkeit gilt in hohem Masse Walter Spengler, dem 1988 verstorbenen Chef des Modeversandhauses Spengler, der zu seinem eigentlichen Entdecker und Förderer werden sollte.
Der ersten Begegnung zwischen Walter Spengler und Francis Béboux ging eine Besprechung in einem der Büros beim Schweizerischen Bankverein in Basel voraus. Ernst Béboux, der ältere Bruder des Künstlers, als Vizedirektor beim Bankverein tätig, hatte eine Béboux-Plastik auf seinem Schreibtisch stehen. Walter Spengler fiel die Arbeit sofort auf, er erkundigte sich nach dem Künstler. Nicht ohne leises Amüsement scheint der Vizedirektor auf seinen Bruder in Allschwil verwiesen zu haben, der in der Familie eher als Bohemien galt - als ein zwar arbeitsamer, aber aus gutbürgerlicher Sicht nicht sehr sesshafter Mensch, der sich nicht zuletzt dadurch auszeichnete, dass er mit einem Minimum an Geld ein Maximum an Reiselust in die Realität umsetzte.

Die Umstände waren Francis Béboux gleich in zweifacher Weise wohlgesinnt: Zunächst war es gelungen, das Interesse Walter Spenglers an Béboux-Plastiken zu erringen; und der Spengler-Neubau in Münchenstein in den Jahren 1970 bis 1972 rief nach künstlerischem Schmuck. Walter Frey, der seinerzeitige Spengler-Hausarchitekt, sah sich eines schönen Tages im Künstlergarten des Francis Béboux und in seiner Ausstellungshalle um; er feilschte nicht, sondern erwarb rasch entschlossen die ersten Metallplastiken. Direktor Spengler äusserte den Wunsch, mit diesem an sich unbekannten, aber höchst interessanten Béboux in Kontakt zu kommen. Diese erste Begegnung, aus der später Freundschaft werden sollte, entbehrte nicht eines humoristischen Szenarios. Béboux wurde nämlich ganz unerwartet an einem heissen Sommertag aus seiner Werkstatt geholt; er sollte sofort zu einem Treffen ins Direktionsbüro von Spengler kommen. Béboux, in Shorts, Sandalen und mit nacktem Oberkörper, wollte sich verständlicherweise erst der Situation entsprechend ankleiden; aber weder Widerstand noch Vorbehalte wurden akzeptiert, Béboux musste so, wie er eben war, ins elegante Auto steigen und sich an die Leimenstrasse in Basel fahren lassen. Die Spengler-Direktionssekretärin war einer Ohnmacht nahe, als sie den Quasi-Urmenschen Béboux bei Spengler anmelden sollte. Betreten und verwirrt wollte sich Francis Béboux bei Walter Spengler für diesen ebenso unvorbereiteten wie undezenten Auftritt entschuldigen. Spengler gab Béboux einen resoluten Stoss, so dass dieser in einem der tiefen Sessel landete, gleichzeitig raunzte er: «Hockab, mer rede jetz nid über Chleider!»

Mode oder irgendwelche Äusserlichkeiten waren in jenem Augenblick tatsächlich kein Thema für Walter Spengler. «Sie machen beeindruckend schöne Plastiken, aber Sie gehören nicht auf die Post, Sie sind kein Pöstler», war das kurze Verdikt. Auf den Einwand, von der Kunst alleine lasse sich leider nicht leben, kam blitzschnell das Angebot Walter Spenglers, ein durchaus existenzsicherndes Einkommen zu garantieren. «Ich stelle Ihnen eine Werkstatt zur Verfügung, Sie können ganz frei arbeiten, niemand wird Sie kontrollieren. Voraussetzung ist allerdings, dass alle Ihre Arbeiten in meinen Besitz kommen» - Walter Spengler argumentierte in der Art eines fürstlichen Mäzens aus der Zeit der Renaissance. Francis Béboux jedoch machte keinen Kniefall vor seinem Gönner. Er wollte sich das an sich grossherzige Angebot erst überlegen; er besprach sich mit seiner Frau Meta, kreiste schliesslich das Problem ein. Ihm schwebte eine Kündigung seines Arbeitsplatzes bei den PTT vor; er wollte sich aber nicht an einen Geldgeber verdingen, sondern im eigenen Haus das Atelier ausbauen und den Sprung in eine neue Selbständigkeit machen. Meta Béboux-Gäbel verwies weder auf Sicherheit noch auf Pension und Altersvorsorge - sie, die immer schon ihrem Francis überzeugt und unbeirrt zur Seite gestanden und alle seine Arbeiten sorgfältig skizziert und somit dokumentiert hatte. Und so verfasste denn Béboux im Altervon 57 Jahren sein Kündigungsschreiben, um einen doch sehr unsicheren Weg zu beschreiten.
Walter Spengler zeigte Grösse. Er war nicht etwa verletzt, dass Béboux ein scheinbar glänzendes Angebot ausgeschlagen hatte, sondern er erkannte in Béboux einen ihm ebenbürtigen, starken Charakter. Der Unternehmer, der sich aus bescheidenen Anfängen mit viel Einsatz und Wagemut hochgearbeitet hatte,respektierte wohl den Mut des Künstlers, dem seine Freiheit mehr zu gelten schien als finanzielle Sicherung.
Der Entscheid des Francis Béboux machte sich im doppelten Sinn bezahlt. Dr. W. A. Jann von der Firma Hoffmann-La Roche wurde über Walter Spengler auf die Béboux-Plastiken aufmerksam. Der weitblickende Kunstsammler befand: «Ich kenne viele Künstler. Aber einen wie Béboux gibt es nirgendwo sonst!» Die Zeiten der wirtschaftlichen Blüte erlaubten grossen Firmen grosszügige Ankäufe von Kunstwerken; Dr. Jann jedenfalls sorgte dafür, dass mehrere Béboux-Werke den Bestand der Kunstsammlung bei Hoffmann-La Rocheerweiterten.
Durchbruch in späten Jahren... Weder Erfolg noch Geld warfen Francis Béboux aus der Spur, die sein Leben bisher bestimmt hatte. «Ich fühlte, dass ich mich weder würde verderben noch verändern und auch nicht missbrauchen lassen dürfen», hält er in der Rückschau fest. «In meinem Innersten war ich immer ein gläubiger Mensch. Ich nahm und nehme es als Geschenk an, dass sich diese wunderbare Wende in meinem Leben ereignete und ich von diesem Zeitpunkt an ganz und ungeteilt meiner Kunst leben durfte.» Das künstlerische Ordnungsprinzip des bewussten Gestaltens und des gleichzeitigen, demütigen Geschehenlassens scheint sich zur Lebenshaltung von Francis Béboux verdichtet zu haben.

Entwicklung hat kein Ende

Die Form der Kugel, die Francis Béboux als künstlerisches Thema aufgenommen und vielfach variiert hat, ist für den Künstler ein Symbol des Lebens - und gerade deshalb von immer neu zu konzipierender, nie erschöpfbarer Vielfältigkeit. Keine Kugel gleicht der anderen, eine jede hat ihre unverwechselbare Konfiguration. Béboux hat Kugeln geschaffen, die von explosionsartigen Einbrüchen verletzt zu sein scheinen und deren kristalline Ausstülpungen einer gefährlich leicht vernarbten Wunde gleichen, die jederzeit aufbrechen kann: Atomversuche, die fortschreitende Zerstörung der Natur sowie wahnwitzige Experimente und Manipulationen beeindrucken und berühren Béboux, verlangen nach Ausdruck und Gestalt. Andere Kugeln wiederum bergen in sich eine kleinere, die aus der Mutterform herausdringt: Derartige Kugeln sind sichtbare Zeichen für Begriffe wie Umdenken, Neugeburt oder Heilung von innen. Jede einzelne Schweissnaht an den MetalIplastiken ist nicht etwa bloss technisch unentbehrliches Hilfsmittel, sondern ein Gestaltungselement, das gedeutet werden will. Jede Vertiefung im Metall hat ihren Sinn, sie fängt Licht auf, strahlt es ab, wird zur Lichtquelle. Einzelne Béboux- Kugelplastiken sind von innen her beleuchtbar und werden so zum geheimnisvollen Korpus, zum hoffnungspendenden Lichtträger.

Béboux setzt sich immer wieder mit der Kugelform auseinander, aber ebenso intensiv mit der Spannung, die entsteht, wenn sich Horizontale und Vertikale zur Kreuzform verbinden. Die Grundform wiederum, die einer Monstranz eigen ist, beschäftigt ihn seit Jahren. Es geht nicht eigentlich um einen liturgischen Bezug, sondern eher um das Prinzip des schöpferischen Gedankens, um den Geist, der sich im Gehäuse verbirgt und dennoch ständig ausstrahlt.
Béboux liebt die grosse Geste, die grosse Form. Er ist aber auch ein Meister der kleineren Form, die in ihrer geometrischen Abstraktion den Betrachter anspricht und zum meditativen Nachdenken einlädt: Zwei ineinander verschlungene Kreisformen und eine eingefügte silberglänzende, kometenartige Kugel können als Symbol verstanden werden für Lebensrhythmen, die, ohne es zu wissen, einem geheimnisvollen Gesetz folgen.

Früh schon hat sich Francis Béboux auch mit der schwebenden Erscheinung Schmetterling eingelassen, diesem antiken Symbol der Verwandlung und der seelischen Wiedergeburt. In der Rückschau erinnert sich Francis Béboux an seine ersten Versuche, dem Metall Insektenflügel zu verleihen. Seine Schmetterlinge trugen anfänglich noch viel Erdenschwere mit sich; heute scheinen sie sich silberflügelig zur kurzen Rast niedergelassen zu haben, um gleich wieder aufzufliegen, einer unbekannten und doch existierenden Höhe entgegen.
Entwicklung hat kein Ende... Für Francis Béboux ist jeder Tag ein Neubeginn, der immer wieder Konzentration auf das Wesentliche erfordert und etwas beiträgt zur persönlichen Entwicklung und zu weiteren künstlerischen Entfaltungen. Anfang und Ende fallen im künstlerischen Schaffensprozess zusammen. Immer wieder ist Anfang - und Entwicklung hat kein Ende.

Meta Zweifel